sprachlos und ausgebrannt – im ständigen Streben nach Selbstoptimierung

Ich bin sprachlos.
ohne Worte,
sind die letzten Monate geblieben. Neunzehntausend Wörter habe ich meinem Tagebuch geschenkt. Weitere Hundert Mails und Telefonate mit Terminen und Arbeit verpackt. Die wenigen die blieben, sind in Gespräche mit Familie und Freunden geflossen, um abends gefühlt leer ins Bett zu fallen… Wenn ich einen Beitrag schreiben wollte, saß ich oft stundenlang vor einer leeren Datei und es kam… nichts.
Einzugestehen, dass nicht immer alles gleichzeitig möglich und auch nicht nötig ist und dass wir nicht das bekommen was wir wollen, sondern dass was wir brauchen, war eine meiner größten Lehren des letzten Jahres. Anfangs noch stolz, alles so gut und gleichzeitig hinzubekommen, ging mir mit dem kälter werdenden Herbst die Energie aus. Ich konnte nicht mehr. Schreiben. Kreativ sein. Begeisterung für neue Projekte empfinden. Ich musste aufhören. Mit allem das nicht unbedingt wichtig war. Und Platz machen für Zeit.
Erschreckenderweise ist meine Situation keine Seltenheit, zu viele Menschen schlagen sich mit ähnlichen Problematiken rum. Sie sind ausgebrannt, überfordert und rastlos. Selbst wenn es nie richtig schlimm wird, ist es auch nie richtig gut. Irgendwie beängstigend, wie wir uns mit diesem Zustand arrangieren in dem Glauben es sei „normal“ jeden Tag nur funktionieren zu müssen.
Es macht mich nachdenklich, dass wir wie selbstverständlich unsere Gesundheit, Freizeit und auch Freundschaften aufs Spiel setzen, nur um zu “funktionieren“. Und trotzdem predigen wir auf Social Media wie ’self love‘ funktioniert und wiegen uns in dem Glauben das Richtige zu tun, um dann spätabends vor dem Handy sitzend – im Streben nach “gnadenloser Selbstoptimierung“.
Doch darin liegt eigentlich gar nicht das Problem, denn unsere Seele und unser Körper sind unermüdlich, solange uns die getane Arbeit Zufriedenheit und Erfüllung schenkt.
Erschöpfung kommt nicht aus dem intensiven Arbeiten an Dingen die man gerne tut oder mit Menschen mit denen man zusammen arbeitet und von denen man Energie zurückbekommt. Sie resultiert aus der Arbeit an etwas, das man gefühlt nicht machen möchte – oder in einem Umfeld ist, das nicht nicht zu dir passt und das dir mehr Energie raubt als gibt. Realisiert habe ich das leider erst recht spät.
Psychotherapie, Monate der Reduktion auf das Wesentliche und viele Tränen hat es gebraucht, bis ich wieder meine Stimme erhoben habe und für meine Meinung und Ansichten eingestanden bin. Bis ich angefangen habe mich anzunehmen wie ich bin und aufgehört habe einem nie zu erreichenden Ideal hinterherzurennen.
Sprachlos
Dass ich diese Zeilen schreibe, wohl wissend, dass es vielen anderen genau so geht. Dass Erschöpfung akzeptiert, und als eines unserer Generationsansprüche abgetan wird. Und, dass nicht gesehen wird, wie viel Druck all die Selbstverwirklichung und Selbsfindungs Mantren der Gesellschaft in einem jungen Menschen auslösen. All das schreibt eine junge Frau die als sehr „in sich ruhend“ wahrgenommen wird. Es kommt auch von jemanden, der eigentlich alle Kriterien eines erfüllenden Lebens erfüllt. Es kommt aber auch von jemanden, der an seinen eigenen Ansprüchen zerbrach und zu vielen Rufen gleichzeitig gefolgt ist.
Seid nicht sprachlos. Vor allem nicht gegenüber euch selbst. Wenige Worte reichen aus, um zu beschreiben, was in einem Moment gerade wirklich wichtig ist.
A line a day
Eine Zeile pro Tag. Mir jeden Tag Morgens, oder Abends eine Minute Zeit zu nehmen und Gedanken festzuhalten, hat etwas in mir ausgelöst. Wieder schreiben zu wollen, mit Worten zu spielen.
Mit der Zeit kamen sie zurück. Flossen aus Gedanken in Finger und diesen Beitrag. Und ich hoffe sie kommen weiter. Denn ich habe noch einiges zu erzählen.
Es ist ein sehr persönlicher Beitrag. An mancher Stelle vielleicht etwas überzogen. Aber auch einfach ehrlich. Vielleicht ist es auch eine Entschuldigung an mich selbst.
Sei nicht sprachlos.
Erhebe deine Stimme.
Für dich.